Header von beutelpost.de - Beutelpost - Christoph schreibt aus Australien

Australien – das war schon immer mein Lieblingsland. Bereits seit ich denken kann, fasziniert mich dieser große, ferne Kontinent down under. Die Entfernung, die Weite, die Schönheit, die Kontraste… Als ich Mitte der 9. Klasse überlegte, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, fackelte ich bei der Länderwahl nicht lange. Nach gründlicher Information und Gesprächen mit ver-schiedenen Organisationen setzte ich kurz nach Weihnachten 2010 meine Unterschrift unter den Vertrag mit Southern Cross – und dann stand der Tag fest: Am 18. Januar 2012 sollte der Flieger abheben, der mich einmal um den halben Erdball in das Land meiner Träume bringen sollte.

Das eine Jahr Vorfreude verging am Ende überraschend schnell, und nachdem ich mein Leben erfolgreich auf 26 Kilo komprimiert und eine große Abschiedsparty gefeiert hatte, sagte ich meiner Familie am Frankfurter Flughafen mit ein paar kleinen Tränen auf Wiedersehen, bevor es dann tatsächlich los ging!

Nach fast fünfzig Stunden anstrengenden Reisens begrüßte mich endlich die Skyline von Melbourne und ich lernte noch am selben Tag meine Gastfamilie kennen, mit der ich die nächsten zehn Monate zusammenleben würde. Zuerst war ich von meinem neuen Zuhause überrascht, da es ein wenig…anders war als gewohnt. Aber meine Gastfamilie stellte sich sehr schnell als ausgesprochen nett heraus.

Die ersten zwei Wochen hatte ich noch Ferien, sodass ich nach kurzer Gewöhnung an Zeit-verschiebung und Linksverkehr erst mal das schöne Sommerwetter genießen und einen Teil der vielen Facetten Melbournes auf eigene Faust entdecken konnte. In dieser Anfangszeit wurde der Zitronenbaum in unserem Garten ein treuer Freund, der – beim Skypen schön ins Bild gerückt – die zuhause bei Minusgraden Zitternden doch ein wenig neidisch machte.

Bald ging es aber mit dem „Ernst des Lebens“ wieder los – und der hielt doch so einige Um-stellungen bereit: Beispielsweise gibt es in Australien ausschließlich Gesamtschulen, Unter-richtszeiten von neun bis drei, selbst im 11. Jahrgang höchstens sechs Stunden pro Tag, und lange Pausen mit ausreichender Zeit zum Essen. Zudem ist man viel lässiger, was sich auch positiv auf das Verhältnis von Schülern und Lehrern auswirkt. Daran kann man sich freilich leicht anpassen – etwas gewöhnungsbedürftiger ist da schon das Tragen der Schuluniform (Hose mit Hemd und Krawatte für die Jungs, Kleid oder Rock mit Bluse für die Mädchen), doch nach ein paar Wochen war auch das völlig normal. Neben den „üblichen“ Fächern wie Mathe, Englisch oder Geschichte konnte ich mir übrigens auch aus Kursen wie Media, Food Tech oder Theater meinen Stundenplan zusammenstellen – ein Paradies für Leute, die solche Bereiche in Deutschland als unwichtige Nebenfächer vernachlässigt sehen!

Ganz zu Anfang habe ich mich mit dem Leute-Kennenlernen noch etwas schwer getan, was wohl zu einem Großteil daran lag, dass an meiner Schule noch zwei andere Deutsche waren und wir (zu) viel unter uns gemacht haben. Aber sobald man auf die Menschen in Australien zugeht, sind sie absolut offen und heißen einen herzlich willkommen.

Diese angenehme Atmosphäre wird vermutlich dadurch unterstützt, dass Australien allgemein, und Melbourne im Besonderen, extrem multikulti ist. Das geht sogar so weit, dass es teilweise wirklich schwierig ist, „echte“ Australier zu treffen – dieses Land ist ein wahrer Schmelztiegel der Kulturen! Während meiner Zeit in Australien habe ich Menschen aus aller Herren Länder kennengelernt: Brasilien, Japan, Griechenland, Thailand, Uruguay, Kanada, China, Türkei, Frankreich, Neuseeland, Burundi, Rumänien, Indonesien, Sudan und vermutlich noch eine ganze Menge mehr. Angenehm daran ist – neben dem kulturellen Austausch – , dass die Leute lustige Akzente und unsichere Sprecher gewöhnt sind – auch wenn ich sagen kann, dass mein Schulenglisch für die alltägliche Verständigung absolut ausgereicht hat.

Ein anderer Aspekt, der einem sofort positiv auffällt: Die Leute sind deutlich entspannter. Die oft als typisch australisch angeführte Floskel „no worries“ hatte ich ursprünglich als überzo-genes Klischee abgetan, aber man verwendet sie tatsächlich andauernd! Nirgends wird das so klar wie im Supermarkt: Während man in Deutschland seine Waren stumpf auf das Vier-Meter-Fließband packt, diese in Rekordzeit durchgescannt und nach einem knappen „Dreiundzwanzig vierzig, bitte“ geschwind wieder in den Einkaufswagen zurückgeschaufelt werden, hält man in Australien auch bei meterlangen Schlangen erst mal ein bisschen Smalltalk mit der Kassiererin, bevor die Einkäufe gemächlich abgearbeitet und sogar noch für den Kunden in (kostenlose!) Plastiktüten gepackt werden. Ein völlig neues Einkaufserlebnis!

Neben dem alltäglichen Leben habe ich aber auch ein bisschen vom Land kennenlernen dür-fen. Meine Schule hat für ihre ca. 40 International Students einige Fahrten organisiert, auf denen ich unter anderem Sydney und Phillip Island gesehen habe. In den Frühlingsferien bin ich auf eigene Faust nach Perth geflogen, um dort sehr entfernte Verwandte kennen zu lernen, und mitten im Schuljahr hat mich meine Schule für zwei Wochen vom Unterricht befreit, da-mit ich gemeinsam mit meiner echten Familie das berühmte rote Zentrum entdecken konnte.

Inzwischen ist mein Jahr hier unten fast um und ich sehe meinem nahenden Heimflug mit gemischten Gefühlen entgegen. Auch wenn ich absolut nicht an Heimweh leide und meine Zeit hier wahrlich genossen habe, kommt bei mir natürlich trotzdem schon Vorfreude auf Deutschland und meine dortigen Freunde auf. Doch der damit verbundene Abschied von den vielen netten Leuten, die ich auf der anderen Seite der Welt kennengelernt habe, wird mir schwer fallen…

Abschließend möchte ich allen, die mit einem Auslandsjahr liebäugeln, zurufen: MACHT ES! Traut euch! Angst vor was auch immer braucht ihr wirklich nicht zu haben, die Leute werden euch mit offenen Armen empfangen und das Jahr wird euch mit so unglaublich vielen Erfah-rungen bereichern, dass es eine Schande wäre, eine solche Gelegenheit nicht beim Schopfe zu packen. Also nur Mut!