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+++ Noch 843 km bis nach Birdsville +++

Aufstehen, duschen, Sachen packen und ab ins Auto, zwischendurch noch ein schneller morning tea – so begann die zweite Etappe unserer Birdsville-Reise. Nachdem wir uns in einer Bäckerei schnell mit Frühstück eingedeckt hatten, ging es gleich wieder auf die Straße in Richtung Quilpie, nur 210km entfernt von Charlville. Auf dem Weg dorthin führte die Straße oft durch das Flussbett von Creeks, die zwar 90% des Jahres ausgetrocknet sind, nach Regenfällen aber dann plötzlich Unmengen an Wasser führen. Damit die Autofahrer wissen, wie hoch das Wasser steht, sind überall flooding indicators aufgestellt, auf denen man den Wasserstand ablesen kann. Einige fangen bei läppischen vier Meter an… Sandy erzählte dazu, dass ein paar Jahre zuvor sogar mal die Birdsville Races wegen Überflutung abgesagt werden mussten – ausgerechnet als Fred und sie sich sicher waren, dass ihr Pferd (ja, neben den Pubs, diversen Häusern überall in Queensland und dem Boxing Tent besitzen die Brophys auch noch zwei Pferde) den Birdsville Cup gewinnen würde.

Während wir so durch die Gegend fuhren, veränderte sich nach und nach die Landschaft, die am Fenster vorbeizog: Das Buschwerk entlang der Straße verlor an Dichte, die Bäume wurden immer weniger, blattloser und kleiner.

Als wir in Quilpie ankamen, riet uns Sandi: “Here in Quilpie is the last ‘real’ supermarket – so if you need a toothbrush or something, better buy it here!” Außerdem seien die Preise hier noch recht “moderat” – naja, eine Tüte Chips kostete im Angebot nur 2,80$, die nimmt man doch gleich mal mit! Das Snickers für 1,77$ haben wir dann doch lieber im Kühlregal liegen lassen…

Sandys Auto vor dem Supermarkt in Quilpie

+++ Noch 633 km bis nach Birdsville +++

Auch hinter Quilpie veränderte sich die Landschaft immer weiter: Die Bäume hatten kaum noch Blätter und standen teilweise wie Skellette am Straßenrand. Ein wenig Gras war allerdings zu sehen, laut Sandi ein Zeichen dafür, dass es wenige Tage zuvor geregnet haben musste. Mittlerweile fuhren wir nicht mehr auf einem zweispurigen “Highway” (kann in Australien alles zwischen “vierspurige Autobahn” und “bessere Landstraße” bedeuten…), sondern auf einer einspurig geteerten Strecke. Sandi erklärte uns die zusätzlichen “Verkehrsregeln” im Outback: Begegnet man einem anderen Fahrzeug, grüßt man den Fahrer (daran erkennt man wahre Outback Driver) und fährt – vor allem wenn einem Camper oder sogar Roadtrains entgegen kommen – am besten auf dem Straßenrand (= rote, bestenfalls planierte Erde) weiter. So kann man gefahrlos aneinander vorbei fahren und läuft vor allem nicht Gefahr, das eigene Auto durch aufgewirbelte Steinchen zum Carglass-Fall zu machen ;)

Unser nächster Halt war Windorah, ein Ort Dorf Kaff von etwa 160 Einwohnern ohne jeglichen Handyempfang (nicht mal Telstra!). Trotzdem ist es bekannt als das “Heart of the Channel Country”. Diese Region ist eine mit Kanälen durchzogene Landschaft (you don’t say!), die in der Regenzeit (the Wet) eine erstaunliche Wandlung von einer ausgetrockneten Wüste zu einer wunderschönen, saftig-grünen und von Wasser durchflossenen Ebene durchlebt – jedoch nur für wenige Tage bis Wochen, bis alles Wasser wieder abgeflossen oder verdunstet ist und die Landschaft zu dem zurückkehrt, was wir jetzt in the Dry zu sehen bekamen: Nichts als endloser roter Sand mit ein paar ausgetrockneten Kanälen…

So sieht es aus, wenn das Channel Country unter Wasser steht. Wir waren dafür leider zur falschen Zeit vor Ort, aber ein ähnliches Bild wie dieses hier von Wikipedia hing in Windorah aus, um den Touristen zu zeigen, wie sehr sich dieses Land nach Regen verändert!

Auch wenn Windorah ziemlich klein ist, gibt es dort einen Pub (natürlich!), ein kleines Museum, ein Resort mit etwa zehn Bungalows, einen Outbackshop und eine Tankstelle mit angeschlossenem Cafe. Dort machten wir halt, um den Wagen noch einmal aufzutanken, bevor wir den letzten (tankstellenlosen…) Abschnitt der Fahrt nach Birdsville antraten.

+++ Noch 386 km bis nach Birdsville +++

Nur kurz hinter Windorah sahen wir eine für das Outback typische Szene: Ein kleiner Hubschrauber schwebte tief über dem Erdboden und vollzog wilde Flugmanöver – eine ziemlich sinnvolle Methode, wenn man Rinderfarmer ist und seine Kühe auf riesigen Weideflächen zusammentreiben will ;)
Und wieder veränderte sich die Landschaft hin zum Unwirtlichen: Die Bäume wurden kleiner und kleiner und irgendwann wich jegliche Vegetation einer Wüstenlandschaft, in der nur noch in der Ferne Bäume auszumachen waren, wenn ein Creek zumindest ein wenig Wasser lieferte.

Die Wüste, unendliche Weiten... Keine Vegetation, es scheint nur jemand seinen Tanklaster vergessen zu haben ;)

Wir sahen folglich nur noch das Rot-Orange des Sandes, das vom Schwarz der Straße durchschnitten wurde – doch selbst diese kleine Abwechslung verschwand bald, denn die “letzten” (250+) Kilometer fuhren wir auf einer Unsealed Road.

Ohne Teer wird's ganz schön staubig, wenn man ein anderes Auto vor sich hat

Letzter Halt vor Birdsville: Ein Outback-Klo auf einem kleinen Hügel mitten in der Wüste - wie idyllisch ;)

Und dann, nach stundenlanger Fahrt, kamen wir bei untergehender Sonne endlich am lang ersehnten Ziel an: BIRDSVILLE.

Tja, so schnell kanns dann doch gehen: Da haben wir uns gerade noch darüber beschwert, keinen Job zu finden und kaum einen Tag später sind wir schon auf dem Weg zu unserem ersten Arbeitsplatz: Birdsville.

Für alle, die sich jetzt fragen “Wo zum Teufel liegt denn Birdsville?!”, kommt hier die Antwort: Birdsville ist ein kleines Kaff von 295 Einwohnern mitten in der Simpson Desert, etwa 1500 Kilometer westlich von Brisbane.

Der Ort gehört zum Diamantina Shire. Der Landkreis, zu dem außer Birdsville nur noch Bedourie gehört, ist mit 94.667 km² größer als Bayern und Hessen zusammen, zählt aber laut dem letzten Zensus nur 322 Einwohner…

Wie um alles in der Welt kommt man also dazu, 1592 Kilometer über teilweise unbefestigte Straßen landeinwärts zu fahren, um in einem 295-Seelen-Dörfchen zu arbeiten?!

Nunja, einmal im Jahr finden in Birdsville die Birdsville Races statt, das zweitgrößte Pferderennen Australiens. Und deswegen überschwemmen am ersten Wochenende im September an die 7000 verrückte Australier den Ort mitten in der Wüste, um dort diese Rennen anzuschauen, ein Vermögen für Wetten auszugeben und zwischendurch (also die meiste Zeit) zu trinken und zu feiern.

Wir hatten in Noosa Plakate von einer gewissen Sandi gesehen, die das “Abenteuer Birdsville” plus freier Unterkunft, Verpflegung und sogar 300 Dollar Lohn versprachen, um den hungrigen Besuchern Hotdogs zu verkaufen.

Klang gut – also nix wie angerufen! Wir erfuhren von Sandi, die ziemlich verwundert über unsere fehlende Arbeitserfahrung war, dass der Hotdogstand eigentlich nur nebengeschäftlich laufe und wir uns im Internet über ‘Fred Brophys Boxing Tent’ informieren sollten. Nach einem sehr verstörenden Artikel, der uns zuerst etwas unsicher machte, fanden wir jedoch einen beruhigenderen Blogeintrag einer deutschen Backpackerin, die zwei Jahre zuvor mit den Brophys nach Birdsville gereist war. (Was das Boxing Tent ist, erfahrt ihr in den nächsten Artikeln. ;) )

Nach ein paar Telefonaten verabredeten wir, uns gleich am nächsten Tag auf den Weg nach Gympie zu machen, wo Sandi uns einsammeln und mit zu ihrem Pub in Kilkivan nehmen würde. Gesagt, getan; auch wenn die Reise nach Gympie ein wenig beschwerlicher war als sonst — denn natürlich fanden ausgerechnet an DIESEM Wochenende Wartungsarbeiten auf der Zugstrecke statt… Dafür war die Fahrt mit dem Schienenersatzverkehr kostenlos (für Backpacker eigentlich eh viel wichtiger)! :D

Sandi entpuppte sich als die mega nette (wenn auch oft sehr direkte ;) ) Frau von eben diesem Fred Brophy, der voll die Outback-Legende zu sein schien. (Darüber sollten wir in den nächsten Tagen noch so einiges erfahren.)

Nach einer Nacht und ein wenig Arbeit im Kilkivan Hotel ging es am nächsten Morgen etwas verspätet los, da ziemlich dichter Nebel über der ganzen Landschaft hing. Trotzdem wollten wir es an diesem Tag bis ins 671 Kilometer entfernte Charleville schaffen.

Die nebelige Hauptstraße von Kilkivan, fotografiert von der Hotel-Veranda

Auf den ersten Kilometern kamen wir an der Koehler’s Road und der Holznagel Road vorbei; scheinbar hatten hier wohl deutsche Auswanderer ihre neue Heimat gefunden. Durch die Örtchen Wondai, Durong, Chinchilla und Miles ging es bis nach Roma, wo wir zum Mittagessen Zwischenhalt machten.

Roma war früher einmal das Zentrum des Outbacks von Queensland. Damals konnte man ein Pfund Wolle für 1 Pfund verkaufen, damals eine unglaubliche Menge Geld. Und da das Land um Roma hervoragende Weidegründe für Schafe bot, florierte die Stadt prächtig. Heute ist Roma nicht mehr ganz so prominent auf der Landkarte verzeichnet, behält aber immernoch die Funktion als Zentrum für eine nicht all zu kleine Region und ist groß genug, um nicht nur ein respektables Einkaufszentrum und allgemein Shops jeder Sorte, sondern auch einen McDonalds zu beherbergen – das ultimative Zeichen von Zivilisation ;-)

Nach einem Imbiss im “Restaurant zum güldenen M” ging es weiter über Muckadilla nach Mitchell. Große Teile des australischen Outbacks hängen von der Wasserversorgung durch unterirdische Speicher ab. Die Region hier erhält ihr Wasser vom Großen Artesischen Becken, das sich über 1,7 Millionen Quadratkilometer (ja, fast fünfmal so groß wie Deutschland!!!) unter dem roten Wüstensand erstreckt. Das Wasser lagert bis zu 3 km tief in der Erde und tritt deshalb durch die Erdwärme erhitzt mit Temperaturen zwischen 40 und 100 °C an die Erdoberfläche.

In Mitchell nun haben findige Leute diese Gegebenheit genutzt, um ein natürliches Spa zu erschaffen: Herrlich angenehm warmes Wasser, das wir auf einem Zwischenstopp genießen konnten. :)

Das heiße Wasser plätschert aus dem Rohr direkt ins Becken *__*

Die Weite des Outbacks, nur wenige Kilometer hinter Mitchell

Über Mungallala und Morven fuhren wir nun bis nach Charleville – allerdings nicht ganz ungestört: Wir befanden uns gerade auf der letzen Etappe der Strecke, die Dämmerung setzte bereits ein, als sich ein Känguru entschied, einen Spaziergang zu machen. Es hüpfte durch die malerische Landschaft im Licht des Sonnenuntergangs, über die Straße und direkt in unser Auto. Es gab einen VERDAMMT lauten Rumms, ich (Christoph) riss auf dem Beifahrersitz reflexartig die Hände hoch und ich (Daniel) sah, wie das Beuteltier tödlich getroffen am Straßenrand entlang rollte…

Wir waren MEGA geschockt, aber Sandi sagte nur routiniert “that roo probably did a lot of damage to my car” und fuhr weiter.

Tatsächlich: Kaputter Scheinwerfer, eingedrückte Roobar und sogar ein bisschen Fell am Nebelscheinwerfer...

In Charleville bezogen wir unsere Zimmer, bis wir zum lokalen RSL Club zum Dinner gingen. RSL steht für Returned Servicemen League, also eine Vereinigung zur Unterstützung von Veteranen und Soldaten allgemein. In Australien nimmt man sich denen, die sich für ihr Land verpflichtet haben, deutlich mehr an und unterstützt sie – das merkt man nicht nur an solchen Einrichtungen, in denen Spenden gesammelt und jeden Abend um 19 Uhr mit einer Zeremonie an die gefallenen Soldaten erinnert wird, sondern auch an der gesamten Haltung der Gesellschaft: Soldaten wird viel mehr Respekt und Anerkennung entgegengebracht als wir das von Deutschland aus gewohnt sind und man findet überall in Australien (auch in SEHR kleinen Orten) Gedenkstätten. Am 25. April ist darüberhinaus ANZAC Day, ein nationaler Feiertag, an dem im GANZ großen Stil an die Verdienste der Servicemen (und natürlich -women) erinnert wird (siehe dazu auch Christophs Beitrag vom ANZAC Day 2012).

Das Hotel Coronoes in Charleville

Charleville gehört übrigens auch zu den Orten, die ihr Wasser aus dem Great Artesian Basin beziehen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt für Hausbesitzer, dass man keine Kosten für Warmwasseraufbereitung, da das Wasser ja eh schon ziemlich heiß aus der Erde kommt. Das Schlechte: Es gibt nicht wirklich kaltes Wasser. Und im Outback hätte man letzteres oft lieber… Das führt zu der für uns paradoxen Situation, dass man im Hotel gebeten wird, ruhig eine lange heiße Dusche zu nehmen — man solle nur bitte aufpassen, nicht das ganze kalte Wasser aufzubrauchen ;-)

Die erste Etappe war schon mal geschafft. Was der nächste Morgen bringt? Das könnt ihr bald im nächsten Post lesen ;)