Als wir am nächsten Morgen aufwachten war es eisekalt, wirklich! Nur um die 3 Grad. Unser heutiges Tagesziel Canberra liegt in einer der kältesten Regionen Australiens, die weite Entfernung vom Meer macht sich bemerkbar, und ebenso die Höhe…
Die Einfallstraße in die Hauptstadt ist groß und breit, und schon Kilometer vorher wird groß das Visitor Centre ausgeschildert. Diesen folgten wir zielstrebig, denn laut WikiCamps sollte man in den dortigen Waschräumen auch eine Dusche finden, die wir natürlich gerne nutzten. Kostenlos FTW!
Auf dem Gelände der Australian National University trafen wir uns mit Lewis, einem Studenten, der vor zwei Jahren mit Christoph auf’s Elwood College ging und nun hier in Canberra studiert. Er wollte uns ein bisschen durch die Stadt führen und nahm uns gleich mit Richtung Parlamentsgebäude, das prominent auf (oder besser im?) Capital Hill das Zentrum der Stadt bildet. Wir parkten direkt unter dem Parlament und stiegen die Treppen zum Eingang hinauf.
Canberra wurde bei der Federation 1901 zur Hauptstadt gemacht, da sich Sydney (als erste Kolonie überhaupt) und Melbourne (damals größer, reicher und wichtiger) um diese Ehre stritten und man es eben weder den einen noch den anderen recht machen wollte. Canberra lag in New South Wales, aber dennoch weit genug von Sydney weg, also baute man dort, auf der grünen Wiese, eine am Reißbrett entworfene Hauptstadt.
Bis sie fertig war, dauerte es allerdings noch 26 Jahre (währenddessen tagte das Parlament dann doch in Melbourne, ätsch Sydney! ), bis das Parlament in ein vorläufiges Gebäude in Canberra umziehen konnte. Der “vorläufige” Status hielt für sechs Jahrzehnte an, bis man es anlässlich des 200. Jahrestages der ersten europäischen Besiedelung Australiens im Jahr 1988 endlich fertig brachte, das “richtige, echte” Parlament auf dem Capital Hill fertigzustellen.
Beide kann man besichtigen, der Eintritt ist kostenlos, sehr löblich. Wir hatten das Glück, dass nur wenige Minuten nach unserer Ankunft sogar eine geführte Tour losging, der wir uns kurzerhand anschlossen.
Die Führung startete in der Great Hall, einer riesigen Halle, die für Festakte sowohl politischer als auch öffentlicher und privater Art (z.B. Hochzeiten) genutzt wird und in der eine 20m breite und 9m hohe Tapisserie (also ein Bild aus Stoff) hängt, dessen Vorlage ein Ölgemälde des Künstlers Arthur Boyd ist. Zu sehen ist ein Wald in New South Wales, dessen Bäume den in der Halle verwendeten Hölzern entsprechen. Es soll einen Eindruck der australischen Landschaft vermitteln und jeder, der durch den von der Tapisserie eingerähmten Südeingang der Halle geht, soll sich fühlen, als würde er durch diese Landschaft wandern.
Anschließend besuchten wir die Sitzungssäle des House of Representatives und des Senates. Das House of Representatives ist quasi der Bundestag Australiens. Einige Ähnlichkeiten bestanden, so zum Beispiel die Besuchertribünen, von denen man wie in Deutschland den Parlamentssitzungen zusehen kann. Außerdem sitzt der Speaker of the House of Representatives, das Pendant zum Bundestagspräsidenten, auch vor dem Parlament an erhöhter Position und es gibt genau geregelte Redezeiten.
Ansonsten unterscheiden sich das australische und das deutsche Parlament deutlich. Die Mitglieder sitzen nicht nach politischer Gesinnung verteilt und es gibt auch keine wirkliche Regierungsbank. In der Mitte, direkt vor dem Pult des Parlamentssprechers, steht ein Tisch mit insgesamt vier Stühlen – auf der rechten Seite (immer vom Parlamentssprecher aus gesehen) sitzen der Prime Minister und sein Stellvertreter, direkt gegenüber der Oppositonsführer und dessen Stellvertreter. Auf den Bänken dahinter sitzen die Parlamentsmitglieder (MPs) der Regierugspartei/-koalition bzw. der Oppositionspartei(en). Regierung und Opposition sitzen sich hier also direkt gegenüber.
Gegenüber des Parlamentssprechers befinden sich noch mehrere halbkreisförmige Sitzreihen, auf denen die crossbencher Platz finden, also jene MPs, die weder zur Regierung noch zur (Haupt-)Opposition gehören.
Leider waren wir ausgerechnet am Wochenende gekommen, sodass wir keiner Parlamentssitzung zusehen konnten…
Der Senat sieht wie eine Kopie des Repräsentantenhauses aus, nur in Rottönen anstatt in Grüntönen gehalten. Zudem befindet sich hinter dem Stuhl des Senatsprechers ein weiter Sitz: Hier nimmt die Queen persönlich platz, wenn sie das Parlament besucht – was bisher noch nie vorgekommen ist. Ihr ständiger Stellvertreter für Australien, der Governor-General, besucht den Senat jedoch öfter mal und nutzt dann diesen Thron (er wohnt ja auch in Canberra und somit ein bisschen näher als die Queen )
Übrigens wacht auch hier das Staatswappen über die Parlamentarier; dabei interessant: Der Emu und das Känguru schauen sich nicht wie üblich gegenseitig an, sondern richten ihre Blicke wachend auf das Parlament und seine Mitglieder.
Dann gingen wir zum alten Parlamentsgebäude und es wurde klar, warum man unbedingt ein neues brauchte: Das alte ist krass klein, die Büros winzig und dennoch mit mehreren Leuten belegt. Man kann durch alle damaligen Räume hindurchspazieren, auch das Arbeitszimmer des Premierministers! Früher schien die Politik noch sorgenloser zu sein als heutzutage, denn das Büro liegt an der Außenfassade des Gebäudes und der Premier sitzt mit dem Rücken zum Fenster, unter dem eine ganz normale Straße entlang führt…
Als nächstes stiegen wir wieder ins Auto und fuhren einige Minuten aus der Innenstadt hinaus zur Royal Australian Mint, der australischen Münzprägestätte. Auch hier kann man kostenlos eine Tour mitmachen, wobei uns leider auch hier aufgrund des Sonntags die Action entging: Die Maschinen standen still.
Dennoch ist die australische Münzgeschichte außerordentlich interessant: Die ersten Sträflinge brauchten kein Geld, denn damals konnte man einfach zum Government Store gehen und bekam, was man brauchte. Doch schon bald erwuchs der Bedarf einer Währung und man ließ englische Pfund nach Australien verschiffen. Das Problem: England hatte damals eigentlich selbst schon zu wenig Münzen, wodurch Australien an einer notorischen Geldknappheit litt. Diese wurde noch dadurch verschlimmert, dass die Schiffe, die das Land mit allem versorgten, was nicht lokal hergestellt werden konnte, natürlich wiederum bezahlt werden wollten und so Münze um Münze wieder das Land verließ.
Irgendwann ließ man dann eine Ladung spanischer Münzen kommen und bediente sich eines eher unkonventionellen Tricks: Man stanzte aus jeder Münze die Mitte hinaus, und traf so zwei Fliegen mit einer Klappe: Man erhielt jeweils zwei Münzen zum Preis von einer und erreichte zudem, dass diese außerhalb des Landes quasi wertlos waren, womit sie für die Importschiffe uninteressant wurden und nur noch innerhalb Australiens zirkulierten.
Unsere letzte Station sollte das Australian War Memorial sein. Ich (Christoph) erwartete so etwas wie den Shrine of Remembrance in Melbourne, doch die Institution entpuppte sich zunächst als ein riesiges Militärmuseum. Die Ausstellung war zum einen höchst interessant, zum anderen jedoch auch ein bisschen befremdlich, da die Taten der australischen Streitkräfte hier nahezu uneingeschränkt glorifiziert werden. In einer Ausstellung zum Zweiten Weltkrieg wird zum Beispiel ausführlich dargelegt, unter welcher von Flaks ausgehender Todesgefahr australische Piloten Bombenangriffe auf Deutschland flogen, das Leiden der deutschen Zivilbevölkerung unter der zumindest fraglichen Härte der alliierten Bombardierung wird jedoch nur seeeehr am Rande erwähnt.
Zu dieser Haltung passt, dass hier – im Nationalen Kriegsdenkmal Australiens! – fast schon triumphmäßig die große Namensplakette der Möhnetalsperre ausgestellt ist, die 1943 von Bombern stark beschädigt wurde und deren Überlaufen zum Tod tausender Menschen führte…
Am Ende fanden wir dann doch noch den Gedenkbereich, der in der Tat ganz nett gestaltet ist. Ein Innenhof mit Wasserbecken und akkurat geschnittenen Pflanzen bietet erstaunliche Ruhe, in der man zum Nachdenken kommt. In den Mauern finden sich alle Einsatzorte der australischen Einheiten eingraviert und entlang einer laaangen Wand sind alle gefallenen Soldaten aufgelistet. Beeindruckend – aus Deutschland kennen wir derartige Gedenkstätten ja nicht wirklich, denn wir sind ja ausschließlich mit Hinterfragen beschäftigt…
Dann hatten wir auch schon an die sieben Stunden in Canberra verbracht – wenn wir ausnahmsweise mal im Hellen an unserem Übernachtungsplatz ankommen wollten, mussten wir uns nun ziemlich beeilen Wir mussten noch Lewis wieder absetzen, unseren Wagen auftanken, neues Eis für unsere Esky-Kühlbox besorgen… Und deswegen unser Tagesziel mal wieder korrigieren Jetzt hieß unser Stop Gundagai, ein Kleinstädtchen im südlichen New South Wales.
Dort kamen wir bei langsam einsetzender Dunkelheit an; der Platz ist im Prinzip nur eine große Wiese, aber frisch gemäht und direkt am Fluss, sehr ruhig, ein schöner Spot! Also warfen wir gleich den Gaskocher an und bereiten uns nun Nudeln mit Tomatensoße zu — jaaaa, sehr anspruchsvoll, aber keine Angst, wir haben noch ne Dose Lachs in petto, das heißt es wird die Tage noch ein bisschen “edler”